Michael Schulte über H.C. Jenssen

Auszug aus einem Beitrag von Michael Schulte in der Zeitschrift Graphis:
"Hans - Christian Jenssen - Kunst am Baugerüst"

"Bei der Schweizer Rück hatte man eine gute Idee und Glück. Die gute Idee war, die drei weithin sichtbaren Seiten des
1981 erworbenen Gebäudes des "Haus zum Schwert" in Zürich während der 2jährigen Renovierungsarbeiten mit drei
monumentalen Gemälden zu verhängen und zu verschönern. Und Glück hatte man, weil man für dieses Projekt H.C.
Jenssen zu gewinnen vermochte.

Dabei ist durchaus denkbar, dass so manchen Kunstkenner die Entscheidung für Jenssen überrascht haben könnte, da
Jenssen, kleineren und mittleren Formaten zugetan, noch nie ein Werk von nur annähernd ähnlich gigantischen Ausmaßen
geschaffen hatte, und da er, bedenklicher noch, ein Maler der leisen Töne ist, ein Maler, der Effekthascherei verabscheut,
dem es um die innere Wirkung seiner Bilder zu tun ist. Obgleich diese den Betrachter meist sofort in ihren Bann ziehen,
muss man lange mit ihnen leben, ehe sie sich einem allmählich erschließen.

Diese drei auffallenden, doch unaufdringlichen Bilder dienten zunächst einmal dem Zweck, ein hässliches Baugerüst in
Zürichs Innenstadt zu verdecken. Das war der Grundgedanke. Alles weitere sollte der beauftragte Künstler lösen. Und
man hatte richtig erkannt, dass Jenssen nicht nur ein Esoteriker, sondern auch ein Didaktiker ist. Falls er so etwas wie
eine „Botschaft” hat, lautet sie: “Seht hin, das kennt ihr nämlich schon alles.” Er will uns sehen lehren. Auf  diesen konkreten
Fall bezogen, heißt das: Die Bilder an dem Gebäude spiegeln künstlerisch umgesetzt ihre architektonische Umgebung,
spiegeln den Fluss, die Tages- und Jahreszeiten, die Wolken, den ständigen Wechsel des Lichts tagsüber und, weniger
launenhaft, das Licht der Laternen und des Mondes.

...Es ist nicht leicht, Jenssens Werk zu charakterisieren. Er hat mir einmal einen  Zyklus wunderschöner Bilder gezeigt,
betitelt “Jahreszeiten”, beeilte sich aber gleich zu sagen: “Es ging mir nicht um die Jahreszeiten, sondern um die Übergänge.
Die Übergänge von Herbst zu Winter etc., du verstehst schon.” Ja, da habe ich ihn eigentlich erst richtig verstanden.
H.C. Jenssen ist der Maler des Übergangs, des Übergangs in der Natur, des Übergangs vom Tag zur Nacht, von der
Sprache zum Schweigen.”