Berthold Diel über H.C. Jenssen

Auszug aus der Ansprache von Berthold Diel zur Eröffnung der Ausstellung in der Galerie Haasner, Wiesbaden, 1997:

 ...“Jenssens Arbeiten sind, in ihrer stillen Bildersprache, in ihrem Erzählduktus wie - ins Bild geholte – Weithergeschichten.
Oder sind es Anekdoten? Sie bilden einen guten Gegenpol zu unserer lauten Welt. Es sind Bilder von hoher Konzentration.
Man könnte den Vergleich zur Lyrik im sprachlichen Bereich ziehen. Die vermeintlich auf einfach reduzierten Bilder sind
poetisch, die Essenz von etwas, was auch mit viel größerem Aufwand vorgetragen werden könnte. So aber sind seine
Bilder dauerhafter und wesentlicher.”

P.K. Wehrli über H.C. Jenssen

Auszug aus der Einführung von P.K. Wehrli zur Ausstellung in der Migros Galerie im Wengihof  1994 (Wehrli, ehemaliger
Kulturredakteur des Schweizer Fernsehens und Autor, bezieht sich auf die Bildreihe “Mitsprache”)

 “...Eines Abends also stand ich in H.C. Jenssens Atelier an der Neptunstrasse vor dem Bild “Überall ist alles anders!”
Und es gilt jetzt zuzugeben, dass mir Jenssen zu einer der unglaublichsten und aufregendsten Erfahrungen verholfen hat:
Schrift nämlich so ins Gemälde einzupassen, dass sie ergänzt und nicht zerstört:  Dass der Sinn der Worte sich einlebt in
den Sinn des Bildes und dass die Grafik der Handschrift antwortet und reagiert auf die visuelle Struktur, die der Künstler
Jenssen im Bild vorgegeben hat. Sinnlicher als an diesem Abend hat sich mir ein Bild eigentlich noch nie geöffnet -
ich habe mich in jenen Stunden ins Bild hineingelebt, und es hat mich nicht zurückgewiesen. Für dieses Erlebnis muss ich
H.C. Jenssen danken.”

hc jenssen kunstmaler text ueberall 

"Überall ist alles" anders
Autor: P.K. Wehrli
Mischtechnik auf Leinwand, 1988
140 x 150 cm

Michael Schulte über H.C. Jenssen

Auszug aus einem Beitrag von Michael Schulte in der Zeitschrift Graphis: "Hans- Christian Jenssen - Kunst am Baugerüst"

"Bei der Schweizer Rück hatte man eine gute Idee und Glück. Die gute Idee war, die drei weithin sichtbaren Seiten des
1981 erworbenen Gebäudes des "Haus zum Schwert" in Zürich während der 2jährigen Renovierungsarbeiten mit drei
monumentalen Gemälden zu verhängen und zu verschönern. Und Glück hatte man, weil man für dieses Projekt H.C.
Jenssen zu gewinnen vermochte.

Dabei ist durchaus denkbar, dass so manchen Kunstkenner die Entscheidung für Jenssen überrascht haben könnte, da
Jenssen, kleineren und mittleren Formaten zugetan, noch nie ein Werk von nur annähernd ähnlich gigantischen Ausmaßen
geschaffen hatte, und da er, bedenklicher noch, ein Maler der leisen Töne ist, ein Maler, der Effekthascherei verabscheut,
dem es um die innere Wirkung seiner Bilder zu tun ist. Obgleich diese den Betrachter meist sofort in ihren Bann ziehen,
muss man lange mit ihnen leben, ehe sie sich einem allmählich erschließen.

Diese drei auffallenden, doch unaufdringlichen Bilder dienten zunächst einmal dem Zweck, ein hässliches Baugerüst in
Zürichs Innenstadt zu verdecken. Das war der Grundgedanke. Alles weitere sollte der beauftragte Künstler lösen. Und
man hatte richtig erkannt, dass Jenssen nicht nur ein Esoteriker, sondern auch ein Didaktiker ist. Falls er so etwas wie
eine „Botschaft” hat, lautet sie: “Seht hin, das kennt ihr nämlich schon alles.” Er will uns sehen lehren. Auf  diesen konkreten
Fall bezogen, heißt das: Die Bilder an dem Gebäude spiegeln künstlerisch umgesetzt ihre architektonische Umgebung,
spiegeln den Fluss, die Tages- und Jahreszeiten, die Wolken, den ständigen Wechsel des Lichts tagsüber und, weniger
launenhaft, das Licht der Laternen und des Mondes.

...Es ist nicht leicht, Jenssens Werk zu charakterisieren. Er hat mir einmal einen  Zyklus wunderschöner Bilder gezeigt,
betitelt “Jahreszeiten”, beeilte sich aber gleich zu sagen: “Es ging mir nicht um die Jahreszeiten, sondern um die Übergänge.
Die Übergänge von Herbst zu Winter etc., du verstehst schon.” Ja, da habe ich ihn eigentlich erst richtig verstanden.
H.C. Jenssen ist der Maler des Übergangs, des Übergangs in der Natur, des Übergangs vom Tag zur Nacht, von der
Sprache zum Schweigen.”

Werkreihe Naturgemäss

Peter Rosei über H.C. Jenssen

H.C. Jenssen ist ein vorsichtiger, ein umsichtiger Mann. Ein subtiler Kolorist war er immer schon.
Sind das jetzt Gärten, in die er uns einlädt? Zeigt er uns Dinge vor, die noch nicht zu ihren Namen gefunden haben?
Es sind die Innenräume einer Seele, denke ich, die sich leicht und aus freien Stücken so mit der Welt verbunden hat,
dass es keine Grenze mehr gibt: kein Hier und kein Dort, kein Damals und kein Morgen. Alles ist jetzt.
April 2013

Jürg Schubiger

Naturszenerien an, eine Küstenlinie, Spiegelungen auf bewegtem Wasser, Wolkengebilde, stilllebenartig
angeordnete Früchte neben einem Krug... Ist es ein Krug? Da und dort öffnet eine einfallende
Helligkeit zusammen mit einer dunkleren Zone unerwartet einen Blick in die Tiefe.

Schaue ich länger hin, kann das Spiel der Helligkeiten, Farben und Gebilde seinen Naturbezug verlieren.
Ich sehe farbige Knäuel, Nester, Schraffuren, Gestreutes und Gesammeltes, das Malerische der Malereien.
Der gegenständliche Zusammenhang ist sehr beiläufig geworden und vorübergehend verschwindet er ganz.
Die Bilder bieten Inhalte, Deutungen an, vier Orangen, ein offenes Gewässer, die sie mir ein paar Augenblicke,
ein paar Blicke später wieder entziehen.
H.–C.s Bilder bleiben in Bewegung. Naturgemäss. Wie die Pappel, die beim geringsten Windhauch die hellere
Unterseite ihrer Blätter aufscheinen lässt, bei der geringsten Windstille zurückkehrt zum reglosen Pappelgrün.
Oktober 2013

Ilma Rakusa

Vielleicht Brandung mit einer farbigen Steinreihe. Das Wasser hell und dahinter dunkel wie Tinte
stäubt schäumt und atmet alle Nuancen von Licht. Anderswo knäueln sich die Farben bilden weiche
wollige Wesen Flecken oder zerfasern im Raum. Zitternde Symphonien in Blau Grau Ocker
wuselnde Tupfen die sich zanken und zausen vor lautem Strichgewitter. Aber da rötet sich ein
Ball mutiert zur Purpurrose und wir ahnen ein Bukett. Blumen schweben liegen stillebenmässig
oder nicht in heiterstem Orange in Gelb wie Mohn zart und umgeben von einem Farbrausch der die
ganze Palette bauscht. Die Farbe wogt vibriert leuchtet aus vielen Schichten und mündet wo sie
will in Formen Flocken die zerstäuben wie im Tanz.

Schwimmt hier ein Fisch? Blüht dort ein Feld? Ist das zum Sechseck geordnete Spiel eine Spiegelung?
Etwas reibt sich wüst etwas berührt sich zärtlich. Und flatternde Wolken.
Das Auge dringt fragend in diese Natur. Staunend. Und ruht und zuckt und sucht ihren Grund.
Und sieht: er ist Oberfläche und sieht: er ist Schlund.
Juni 2014